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Wir beschäftigen uns heute mit einer uns wohlbekannten Geschichte:
es handelt sich um die Frau aus Samarien, die viele Probleme hatte im Umgang mit ihrer
Umwelt, mit den Anderen und mit sich selbst.
1. Schmerzhafte Vergangenheit
V.4: "... Dabei musste er durch Samarien ziehen" Es war keine
geographische oder keine topographische Notwendigkeit, denn Jesus hätte einen anderen Weg
nehmen können. Er hatte bestimmt eine Absicht: war es eine Provokation? eine
Herausforderung? Wollte er den Leuten etwas unterrichten, ihnen eine Lehre erteilen im
Herzen ihres Integrismuses, am eigenen Ort ihrer geschlossenen Welt?
Wir dürfen nicht vergessen das es eine bestimmte Zeit war (wann), eine bestimmte
Ortschaft (wo), und bestimmte Begebenheiten (was, wie), mit ganz bestimmten Leuten (wer).
Der Text gibt uns historische und kulturelle Einzelheiten, die reich an Bedeutung sind:
das Dorf Sychar (betrachte als Herz der Welt für die Samariter), im Wettbewerb und im
Konflikt mit der Grosstadt Jerusalem, betrachtet als Mittelpunkt der Heilsgeschichte für
die Juden.
Die Lebensfragen, die damals im Hintergrund standen, waren dreifach:
1) Über den richtigen Ort und die richtigen Gedenkenstätten: welcher ist der
richitige Ort für die richtige Anbetungsweise: Samarien? Israel? Sychar? Jerusalem? Meine
Stadt? Am Garizimberg? Am Sinaï? Bei us in der christlichen Gemeinde? Was dürfen wir
singen? Wie dürfen wir tanzen? Was ist das richtige Gebet?
2) Über die Leute: wer sind die Besten: Die Samariter? Die Juden? Die Pharisäer?
Johannes der Taüfer? Jesus? Seine Anhänger? Die Adventisten? Die Orthodoxen oder die
Liberalen? Die Elsässer oder die Basler (als geborener Strasburger habe ich meine eigene
Meinung, aber ich behalte sie lieber für mich...). Eins steht fest: wir denken oft das
wir die besten der Welt sind, und das ist ja schon eine Art Mobbing .
Wir lesen die zwei ersten Verse, und sehen das es sich um eine Rivalität, um einen
Wettbewerb handelt (Joh. 4, 1-2 lesen). Schade wenn man denkt das man besser ist, nur weil
man anders und verschieden ist.
Die Rivalität finden wir zwischen den Leuten, zwischen ihren Mentalitäten, zwischen
ihren Wohnstätten, zwischen ihren Gedenkenstätten, die sie in ihrem Gedächtnis ehren...
3) Über die Zeit: welcher ist der richtige Augenblick? Was ist der passende oder
der angebrachte Moment? Die gute Gelengenheit zum...?
Vielleicht musste Jesus durch Samarien ziehen um diese Mentalität zu verändern, um diese
Weltanschauung tief umzuchütteln und umzubauen: aus Rivalität, Wettbewerb, Verachtung
und Mobbing wollte er Versöhnung, Zusammenarbeit und Solidarität schaffen.
Erwähnt wird auch das Feld, das Jakob einst seinem Sohn Josef vererbt hatte: auch eine
Art Mobbing für die anderen Brüder, auf jeden Fall eine grosse Ungerechtigkeit: Josef
war der Lieblingssohn, (der "Chouchou" wie wir sagen), und seine Brüder waren
hocheifersüchtig.
Auch der Jakobsbrunnen: all diese materielen und symbolischen Elemente waren gegenwärtig
im persönlichen Gedächtnis der Frau, und im kollektiven Gedächtnis der Sippe, der sie
angehörte! Sie waren wie Toxinen in ihren Erinnerungen, weil sie zur Absonderung, zur
Isolierung und zur Verachtung fuhren! Deswegen können wir sagen das man schon
Mobbingspuren in unseren Stammbaümen finden kann, wenn wir die Fehler in der Denkweise
und im Handeln unserer Vorahnen wiederholen!
Ein Beispiel dazu: "wir Juden sind besser, als auserwähltes Volk, und wir müssen
unsere Reinheit bewahren, in dem wir uns mit den anderen Völkern nicht vermischen".
Dieser Hochmut führt zur Absonderung; und diese Absonderung führt zum Sterben, weil
keine Wechselbeziehung mehr besteht mit der Umwelt: keine frische Luft kommt herein und
man erstickt!
V.6:" Jesus war von dem langen Weg müde geworden und setzte sich an den Brunnen.
Es war die 6. Stunde " Die Sonne scheint am Zenit, die wärmste Stunde des
Tages. Die Zeit an welcher die "normalen Leute" bei sich zuhause bleiben. Die
Frau durfte nur bei dieser ungünstigen Zeit rausgehen, weil man ihr keine andere
überlies. Interessant ist: sie war an den "Rand gestellt", isoliert. Mobbing in
Aktion, sogar bemerkbar an der Zeit, an dem Augenblick an welchem die Ereignisse
stattfinden!
V.9: die Frau aus Samarien wundert sich dass ein Mann Kontakt mit ihr sucht. Gewöhnlich
geht man ihr lieber aus dem Weg, weil sie einen schlechten Ruf hat: ist es kein Mobbing?
Der Text gibt uns einen Kommentar: "...die Juden vermeiden nähmlich jeden Umgang
mit Samaritern". Im grieschischen heisst es: "... sie sind nie
synchron.." Es ist nie der richtige Moment, nie der angebrachte Augenblick um
etwas miteinander zumachen. Es ist immer zu früh oder immer zu spät. "Du
bist zu jung, oder zu alt". Wir können nie synchron sein, nie eine Symphonie
spielen, nie zusammen arbeiten. Es scheint besser zu sein das wir gegeneinander
handeln, das wir eine Kakophonie spielen!! Und genau das ist Mobbing!! Lieber Rivalität,
lieber Kampf, als Zusammenarbeit, als Solidarität! Lieber Konkurenz als Ergänzung oder
Emulation!
V.20-26: Jesus schenkt dieser verachteten und isolierten Frau die Möglichkeit aus der
lebendigen Quelle zu trinken, in dem er sie voll annimmt wie sie ist, und wie sie werden
kann, durch Gottes Gnade: er sieht sie wie sie ist, und ermöglicht es das sie sich
endlich verändert durch Gottes Kraft. Er schenkt ihr Geborgenheit, Annahme, eine besseres
Selbstbewusstsein (Selbstimage) und ein besseres Selbstwertgefühl: ich bin als Gotteskind
etwas wert, auch wenn ich in meinem Leben Fehler mache oder gemacht habe. Jesus tut nicht
als wäre alles in Ordnung in ihrem Leben: Sünde bleibt Sünde und muss überwunden
werden. Man muss einmal in seinem Leben darüber sprechen können, sich damit positiv
auseinandersetzen, aber nicht um die Wand der Trennung und der Verachtung aufzubauen,
sondern um die Brücke der Vergebung und der Versöhnung zu entwerfen, in der
Harmoniesierung mit Ihm, mit dem anderen und mit sich selbst!
Jesus offenbart sich als Prophet und als Messias, der Vergebung schenkt.
V.28 sagt: "... Das ist einer, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe".
Sie konnte ihren Fehler bekennen, weil sie ihm Vertrauen schenken konnte. Er hat sie nicht
verurteilt, aber er hatte ihre eigene Schuld auch nicht verleugnet oder bagatelisiert.
Jetzt ist es kein Mobbing: wenn der Fehler anerkannt wird, am richtigen Augenblick, unter
den richtigen Umständen, in der richtigen Stimmung, kann man die Energie neu investieren,
die man so lange im Schlaf gelassen hatte oder verdrängt hatte, aus Angst verworfen zu
werden oder gemobt zu werden! Jetzt braucht man sich nicht mehr selbst zuzerstören, das
ungesunde Schuldgefühl wird zur Verantwortung: man steht zu dem was man getan hat, man
will es nicht verleugnen, man ist nicht nur ein Opfer, aber man baut jetzt etwas positives
auf, und kann damit etwas anfangen!
Dank des Zeugnisses dieser Frau, die jetzt auf dem Weg der Genesung und zur Befreiung
geht, können die anderen Glieder des Dorfes, der Sippe, zuhören (ihr zuhören), und eine
neue Umwandlung erleben.
In V.42 zeigen sie ihre neue Lebensauffassung, ihre neue Vision, ihr neues Weltbild:
"Jesus ist nicht nur eine Prophet oder Herr, er ist " wirklich der Retter der
Welt": ihr Kurzblick wird nun zur neuen Weltauffassung, und ihr gewöhnliches Mobbing
hat jetzt eine Chance endlich aufzuhören! Sie haben immer noch das Gefühl der
Zugehörigkeit: sie sind lebendige Bestandteile eines Dorfes, einer Gemeinde, einer
Gemeinschaft; aber zur gleichen Zeit haben sie einen Weltblick gewonnen: Dorfmitglieder
(tiefe Wurzeln haben), und zur gleichen Zeit Weltbürger (Früchte tragen)
2. Konkrete Anwendungen
1) Jesus ist gekommen um unsere Durst zu stillen, um unsere Trokenheit und Dürre neu zu
beleben;
2) Er hat ein persönliches Projekt für jeden unter uns und für uns als Gruppe: Ehepaar,
Familie, Gemeinde. Er will uns einladen aktiv mitzumachen in seinem Projekt: raus aus der
Last des ungesunden Schuldgefühles, Befreiung von der Angst. Statt dessen Verantwortung
tragen.
3) Die Ängste, die uns zum Mobbing führen können, werden identifiziert und überwunden:
die Angst nicht stark genug zu sein, nicht gut genug, nicht liebeswürdig, nicht
liebesfähig.... verschwindet .
4) Jeder kennt die Fehler die er gemacht hat: es geht darum sie zu bekennen, um Vergebung
zu bitten, und es wieder Gut zu machen wo es möglich ist. Das schmerzhafte Gedächtnis
wird zur Gelegenheit sich neu zu engagieren, einen neuen Sinn zu finden.
5) Er verurteilt nicht, sondern er befreit und vergibt, und will einladen aufzuhören mit
dem Mobbing wo es existiert, auch in der Gemeinde.
6) Mit Ihm können wir lernen neu und anders miteinander umzugehen: statt Rivalität und
Konkurenz mehr Zusammenarbeit und Solidarität. Unsere Familie, unsere Gemeinde ist wie
ein Spiegel, der das Grinzen oder das Lächeln wiederspiegelt das wir anbieten. Epheser
2,14-15 sagt: "... Jesus hat die Mauer abgerissen, die uns trennte und uns zur
Feinde machte...Er hat Frieden gestiftet... Er hat die getrennten Teile der Menschheit mit
sich verbunden und daraus den neuen Menschen geschaffen..."
Dr. Jean-Michel MARTIN
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